Das Scheimpflug-Prinzip ist eine Regel in der Fotografie und Optik, die beschreibt, wie man die Schärfeebene einer Aufnahme kontrollieren kann, um Vordergrund und Hintergrund gleichzeitig scharf darzustellen. Benannt nach dem österreichischen Offizier und Geodäten Theodor Scheimpflug (1865–1911), wird dieses Prinzip häufig in der Großformatfotografie, besonders in der Architekturfotografie, angewendet.
In einer klassischen Kamera sind die Objektiv-Ebene, die Film- bzw. Sensorebene und die Schärfeebene parallel zueinander. Das Scheimpflug-Prinzip erlaubt es jedoch, diese Ebenen durch Schwenken oder Neigen des Objektivs so einzustellen, dass die Schärfeebene gekippt werden kann. Dadurch lässt sich die Tiefenschärfe erweitern, ohne die Blende extrem schließen zu müssen, was oft nötig ist, um große Bereiche des Bildes scharf abzubilden.
Die Grundlagen des Scheimpflug-Prinzips
Das Scheimpflug-Prinzip besagt:
Wenn die Objektiv-Ebene, die Film- bzw. Sensorebene und die Schärfeebene sich in einer gemeinsamen Linie schneiden, kann ein maximaler Schärfentiefe-Effekt erreicht werden.
Erklärung der Ebenen:
- Objektiv-Ebene: Die gedachte Ebene, die durch das optische Zentrum des Objektivs verläuft.
- Film-/Sensorebene: Die Fläche, auf der das Bild projiziert wird (Film, Sensor).
- Schärfeebene: Die gedachte Ebene im Raum, die im Bild scharf abgebildet wird. Durch Kippen des Objektivs wird diese Ebene nach vorne geneigt, wodurch mehr Tiefe scharf dargestellt werden kann.
In einer herkömmlichen Kamera liegen diese Ebenen parallel zueinander. Durch das Kippen oder Schwenken des Objektivs kann der Fotograf die Schärfeebene in den Raum neigen, um das Motiv über die gesamte Tiefe scharf darzustellen. Spannend an diesem Modell ist zusätzlich, dass sich an der Tiefenschärfe nichts ändert. Diese bleibt gleichbestehend in Relation zur Objektebene.
Mathematisches Modell des Scheimpflug-Prinzips
Um das Prinzip mathematisch zu beschreiben, können wir eine einfache geometrische Darstellung verwenden. Wir nehmen an, dass die folgenden Gegebenheiten vorhanden sind:
- Die Objektiv-Ebene ist um einen Winkel (\alpha) gekippt.
- Die Film-/Sensorebene ist um einen Winkel (\beta) gekippt.
- Die Schärfeebene wird dann um einen Winkel (\theta) zur optischen Achse geneigt.
Tangens-Gesetz für die Winkelbeziehungen
Der Zusammenhang zwischen den Winkeln (\alpha), (\beta) und (\theta) lässt sich über das sogenannte Tangens-Gesetz ausdrücken:
[
\tan(\theta) = \tan(\alpha) + \tan(\beta)
]
Fokusverlagerung und Schärfentiefe
Der Fokusabstand (d_f) und die Brennweite (f) beeinflussen zusammen mit dem Neigungswinkel (\theta) die Lage der Schärfeebene. Mit der Fokusentfernung und der Brennweite können wir die Tiefe der Schärfeebene berechnen:
[
d_f = f \cdot \cos(\theta)
]
Dieser Ansatz hilft, den Punkt der Schärfe entlang der gekippten Ebene zu bestimmen.
Praktisches Beispiel
Angenommen, wir haben eine Großformatkamera mit einem 150-mm-Objektiv und möchten den Winkel für die Schärfeebene so einstellen, dass ein Motiv, das sich von 1 m bis 10 m erstreckt, im Bild scharf erscheint. Wir können die folgende Näherung verwenden:
- Wähle eine Neigung (\alpha) für die Objektivebene so, dass die Schärfeebene durch die gewünschten Abstände verläuft.
- Berechne (\theta) anhand des Tangens-Gesetzes, um sicherzustellen, dass alle Ebenen in einer Linie zusammenlaufen.
Durch die Neigung des Objektivs wird die Schärfentiefe erheblich vergrößert, was den Vorteil bietet, den gewünschten Bereich ohne große Abblendung scharf darzustellen.
Fazit und Anwendung in der Praxis
Das Scheimpflug-Prinzip ist eine wertvolle Technik, um in der Architekturfotografie oder bei Aufnahmen mit tiefen Szenen eine große Schärfentiefe zu erreichen, ohne auf hohe Blendenwerte zurückgreifen zu müssen. Mit der korrekten Anwendung dieser Technik lassen sich Objekte auf verschiedenen Ebenen im Bild scharf abbilden, und der Fotograf erhält eine präzise Kontrolle über die Schärfeverteilung.
Walter E. Schön erklärt an Hand einer Linhof Kamera die Einstellmöglichkeiten: